Eine wahre Geschichte für Jung & Alt

Es war einmal vor mehr als 200 Jahren, als die Bauern den Rittern noch Frondienste leisten mußten, da war ein Städtlein in vollem Gange. Zu gleicher Zeit lebte im grünen Tal, zwischen den Berghängen, ein armer Knabe, sein Name war Friedrich. Da die Mutter starb, noch ehe Friedrich ein Jahr als wurde, musste dieser die einfühlsame Mutterliebe für immer entbehren. Mit diesem Schicksal wurde dem Jungen schon früh eine besondere Aufgabe gegeben.

Der sensible Junge sah seine Bestimmung allseits darin, den Menschen und der Natur das zurückzugeben, was ihm in seiner eigenen tristen Kindheit gefehlt hatte: wohltätige Liebe und natürliche Geborgenheit. Als Friedrich 14 Jahre alt wurde, verbrachte er viel Zeit im Wald. Im Frühling sammelte er Schmetterlinge, Pflanzen und Steine. Aber am meisten interessierte er sich schon als junger Knabe für die edelsten Gewächse, die die Natur hervorgebracht hatte: Die Menschen.

So war sich Friedrich sicher, durch Ruhe, die richtige Pflege, Körperübungen und Naturbeobachtungen wird der Mensch sich fröhlich und gesund entfalten. Und so galten für Friedrich die Menschen als Herzblätter des Lebens. Wie diese Herzblätter behütet und gepflegt werden können, das führte er den staunenden Kurgästen von Bad Liebenstein im Park seines Hauses vor.

Die Sommer vergingen und Friedrich wurde älter. Es zog in hinaus in die Welt. Dabei verließ ihn die Liebe zur Natur kein einziges Mal. Als Friedrich zu einem jungen Mann herangewachsen war, wurde es Zeit, einen Beruf zu erlernen. Er studierte die Natur, Sprachen und Physik und hatte ein ebenso großes Interesse an der Entstehung von Steinen und Kristallen. Aber seine wahre Berufung fand er erst, als er seinen Lebensunterhalt als Erzieher und Lehrer in einer Schule verdiente. Noch nie zuvor fühlte sich Friedrich glücklicher als mit den Kindern. Und es war ihm, als hätte er nie anders leben wollen.

Nachdem er einfache Spielgaben, wie die Kugel, den Würfel und den Zylinder erfunden hatte, suchte er weiter nach Ideen, die die Neugier und Lernfreude der Kinder wecken sollten. Bälle, bunte Bauklötze, Samenkörner, Perlen, Pappe und Papier sollten die Phantasie der Kinder anregen. Bewegung, Rollenspiele, das Musizieren und Singen erweckten die Freude der Kinder. Zeichnen und Malen wurden der Schlüssel zur Außenwelt.

Friedrich bewegte sich mit den Kindern oft draußen im nahegelegenen Wald. Mit unsäglicher Wonne betrachteten sie den Weizen auf den goldgelben Feldern, die weibliche Blüte des Haselnussstrauchs und die herrlichsten Farben der Flora und Fauna. Alles sorgende und liebende daran erfüllte ihn mit großer Achtung. Die Kinder bauten Bäche, Mühlgräben und Teiche. Es wurde geschnitzt, gemalt, getanzt und gelacht. Die ganze Gegend war ein Tummelplatz. Gesunde, ländliche Mahlzeiten waren selbstverständlich.

Durch Friedrich wurde die Welt in den einfachen Dingen erfahren und er hielt all die Spiele für Herzblätter des ganzen künftigen Lebens, in der die Familie das Wichtigste war. Allseitige Lebenseinigung nannte er inzwischen seine Idee für ein sinnerfülltes und glückliches Leben. 

Sein ganzes Leben lang beschäftigte sich Friedrich nun schon mit der Natur und den Kindern. Und obwohl er schon seinerzeit ein bedeutender und angesehener Pädagoge war, suchte er unermüdlich weiter nach neuen Idee und Theorien, die Stoff zum romantischen Träumen und dem Entwickeln von eigenen Phantasien geben können. Friedrich war davon überzeugt, daß Kinder nur dann zu verantwortungsvollen Erwachsenen heranreifen können, wenn sie sich in liebevoller Obhut der Familie frei entfalten dürfen. Er war der Meinung, daß der Mensch sich nicht durch eine Überfülle von Spielzeug und einer Flut von Reizen bestmöglich entwickeln kann, sondern vielmehr durch Ruhe und Konzentration auf dem Boden einfacher Natürlichkeit.

Deshalb gründete er in Thüringen den ersten Kindergarten der Welt und die erste Kindergärtnerinnen-Schule. Von nah und fern kamen Männer und Frauen ins Tal, um sich von Friedrich ausbilden zu lassen und seinen Ideen zu folgen. Denn er war Verkünder einer Lehre, die das reinste Geschöpf der Natur zu pflegen und zu behüten habe, damit es später die Welt ein Stück besser machen kann: Das Kind.

Nachdem einige Zeit später ein Verbot über die Kindergärten vom Königreich verhängt wurde, war Friedrichs Lebenskraft gebrochen. Er starb unglücklich im Alter von 70 Jahren. Das Rad der Zeit drehte sich jedoch weiter. Die Welt wurde moderner und Friedrich wurde vergessen. Obwohl er ein so bedeutender Pädagoge der Romantik war, der nicht nur den Kindergarten ins Leben rief, sondern sich für jegliche Altersstufen des Menschen interessierte. Seine Idee entwickelte er in einer Zeit, die von Armut, Not und revolutionären Aufständen geprägt war. 

Zu seinem größten Verdienst zählt sein Werk "Die Menschenerziehung" und sein Eintreten für das Recht der Kinder. Er war ein Idealist und Weltverbesserer, der vor allem davon überzeugt war: 
"Jeder Mensch hat Göttliches in sich".